was ich nicht auf Papier in Worte fasse, das verwischt die Zeit.“
(Isabel Allende, Paula)
Leseproben und Referenzen
Hans-Günther S. (Jg. 1928): "Schlesien. Das Land, das mich geprägt hat"Bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr hatte ich eine schöne Jugend erlebt. Aber dann wurde der Lebenslauf, bedingt durch den Krieg, hektisch. In einer Samstagnacht, am 1. August 1944, wurde ich aus dem Schlaf geklingelt. Es war ein Hitlerjunge, der uns Sechzehnjährigen eine Einberufung zum Sondereinsatz "Unternehmen Bartold" zustellte. Sonntagmorgen um neun Uhr mussten wir in Landeshut am Bahnhof sein. Wir fuhren mit einem Sonderzug, der uns zu einem unbekannten Ziel bringen sollte. ... weiterlesen "Das Lebensbuch ist das Vermächtnis meines Vaters. Was ursprünglich auf Interviewbasis geplant war, musste aufgrund der Corona-Einschränkungen und der Gesundheit meines Vaters umgeplant werden. Mein Vater hatte im Laufe seines Lebens viele persönliche Texte über seine Familie und das Leben in seiner geliebten Heimat Schlesien verfasst. Dazu kamen seine Erlebnisse in der Kriegszeit und der Neuanfang in Westdeutschland. Frau Seeber-Tegethoff ist es hervorragend gelungen, diese Aufzeichnungen neu zu strukturieren, und so ist ein wunderbares Buch entstanden, das in der Familie und im Bekanntenkreis sehr viel Anklang und Interesse findet", berichtet die Tochter Christine H. über ihre Erfahrungen mit Worte & Leben. |
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Christian K. (Jg. 1953): "Weiter, immer weiter!""Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren" – diese Sprüche Ende der Sechzigerjahre fand ich schon faszinierend. Die Late-Sixties haben mich natürlich massiv beeinflusst. Dagegen waren die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich aus den Protesten ergaben, vergleichsweise marginal in meinen Augen. Die Beatles waren damals revolutionär. Als sie 1966 nach Hamburg kamen, wurde in der Tagesschau darüber berichtet. Um die kreischenden Fans abzuhängen – dieses Bild habe ich noch vor Augen – stand eine Reihe von VW-Käfern vor dem Bahnhof. Die Beatles stiegen auf der einen Seite ein, auf der anderen wieder aus, dann in den nächsten wieder ein. Auf diese Weise kletterten sie quasi durch mehrere Autos, bis sie schließlich im letzten ankamen, mit dem sie dann wegfuhren. In dieser Zeit wurden mir viele Dinge bewusst. ... weiterlesen "Es macht mich so glücklich: Da sitzt jemand, der hört mir zu, und ich kann einfach erzählen. Auf die Weise wühlt man ja auch alles noch mal nach oben. Das ist einfach nur schön und macht mir im Moment ein sehr, sehr gutes Gefühl. Ich freue mich wirklich, dass ich diese Sache angefangen habe", beschreibt der Unternehmer Christian K. den Entstehungsprozess seines Lebensbuches. |
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Wolfgang K. (Jg. 1944): "Meine Heimat ist an vielen Orten"Mein Großvater väterlicherseits war Kleinstlandwirt und Weber. Die Familie lebte in Nordmähren: in Giebau, einem Dorf in der Nähe von Olmütz, das sich selbst allerdings Städtchen nannte. In dieser Gegend – Richtung Schlesien – war die Haus- Mein Vater erzählte später, dass bei ihnen daheim immer der Webstuhl ging: klipp-klapp-klipp-klapp-klipp-klapp. Wenn er lernen wollte, war nie Ruhe im Haus. ... weiterlesen "Ich darf bekennen, dass es mir jeweils eine große Freude bereitete, ganz einfach drauf los zu erzählen. Frau Seeber-Tegethoff war eine aufmerksame Zuhörerin. [...] Ich war sehr beeindruckt, wie es ihr gelang, die ausufernden und verschachtelten Erzählungen in eine gut lesbare Struktur zu bringen. Und dabei wurde mein Erzählstil so lebendig wiedergegeben, wie ich ihn gesprochen hatte", resümiert der Unternehmer Wolfgang K. seine Erfahrungen mit Worte & Leben. |
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Christine N. (Jg. 1946): "Jahresringe"Als ich fünfzehn Monate alt war, verließen wir die Ostzone. Mein Vater fürchtete die Russen. Alles, was ich von dieser Flucht weiß, habe ich im Tagebuch meines Vaters gelesen. Am 3. März 1948 fuhren wir bei Nebel, Kälte, Schnee und Eis um fünf Uhr morgens mit dem Zug von Tangerhütte los. Um zehn Uhr dreißig erfolgte am Schlagbaum Oebisfelde der Übergang. Das Familiengepäck – drei Rucksäcke, zwei Koffer, zwei Aktentaschen und eine Handtasche – wurde von den Russen fast eine Stunde lang kontrolliert. Ich akzeptierte diese Maßnahme nicht und brüllte unentwegt. Anschließend fuhren wir mit einem Bus von Velpke nach Helmstedt. Alles lag in dickem Nebel. ... weiterlesen "Meinen Lebensweg niederzuschreiben und ihn dabei nochmals zu durchleben – dieser ganze Prozess war mir nur mit dieser besonderen Begleitung möglich. Für unsere vertrauensvolle Zusammenarbeit empfinde ich eine tiefe Dankbarkeit", äußert die Apothekerin Christine N. in ihrem Nachwort. |
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Gerhard S. (Jg. 1937): "... mein Leben war bunt"Wir haben sehr bescheiden gelebt in Schlesien. Unser Haus bestand aus einer Wohnküche und einem kleinen Schlafzimmer mit Kachelofen. Von der Küche aus konnte man hinten auf den Hof gehen, dort befand sich das Plumsklo. Was sich darin sammelte, wurde wieder verarbeitet: Dünger für den Salat und die Kartoffeln. So war die Zeit. Bevor mein Vater den Hof kaufte, arbeitete er als sogenannter 'Schweizer' - das war die Bezeichnung für einen Melker. Um vier Uhr früh standen die Schweizer auf zum Melken, und abends mussten sie auch wieder ran. Dazwischen hatten sie frei. Alle verrichteten damals irgendwo Schwarzarbeit, nur so konnte man Geld verdienen. Denn auf dem Dorf herrschte die Tauschwirtschaft. Für Arbeit gab's keine Bezahlung, sondern eine Dose Leberwurst ... weiterlesen |
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Gisela S. (Jg. 1948): "Meine Brüheimer Familie"Das gute Leben meiner Oma – die glücklichen Kindheitsjahre in Waltershausen und Zella-Mehlis und später in Gotha sowie ihre ersten Ehejahre in Gotha – war mit dem Umzug nach Brüheim für immer vorbei. Ja, ich kann fast sagen, dass ihre Leidensgeschichte in Brüheim begann. Karl L., mein Großvater, stammte ja aus Brüheim. Seit Generationen, genauer gesagt seit 1789, besaß seine Familie dort den großen Bauernhof mit viel Land. Da sich Alfred, der älteste Bruder meines Großvaters, schon früh das Leben genommen hatte und 1922 auch der Bruder Ernst Selbstmord beging, galt von da an mein Großvater als der neue Hoferbe. Sozusagen von einem Tag auf den anderen wurde der Lehrer Karl L. mit 29 Jahren Bauer in Brüheim! Mein Großvater fühlte sich verpflichtet, den Hof zu übernehmen, zumal seine Mutter, seine Schwester Erna und sein Bruder Otto noch dort lebten. ... weiterlesen |
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Hagen H. (Jg. 1939): "Aus meinem Leben"Den Bombenalarm habe ich natürlich auch miterlebt. Der Großvater hatte hinten im Garten bei den Nachbarn einen Erdbunker geschaufelt. Wenn Alarm war, musste wir alle dort hinein. Es durfte natürlich kein Licht angemacht werden. Damit keiner stolperte, hatte Opa überall am Wegesrand Phosphorschilder angeheftet. Ich schlief immer in meinem Dachzimmer. Wenn die Sirenen nachts heulten, holte mich Opa von oben und trug mich zum Bunker. Auf halbem Wege bin ich meistens wach geworden. Ich weiß noch, wie Braunschweig in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 1944 bombardiert wurde. Am Tag nach dem großen Feuersturm Feuersturm – es war der 16. Oktober 1944, ich war fünfeinhalb Jahre alt – nahm mich mein Opa Sommer an die Hand und ging mit mir einen langen Weg: von der Homburgerstraße über die Saarbrückenerstraße, an der MIAG vorbei und über den Werkssteg zur Celler Straße bis ins Eichtal. Ich sah, wie der Rauch aus den Trümmerhäusern aufstieg und Frauen im Freien etwas zu essen kochten. Überall auf den Straßen lagen Feuerwehrschläuche. ... |
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Ernst V. (Jg. 1938): "Mein Lebensweg"Mein Großvater väterlicherseits, Carl Friedrich V., war gelernter Bäckermeister. Er stammte aus Bünde in Westfalen, seinerzeit die Zigarrenstadt Deutschlands. Viele Zigarren - mit Ausnahme derjenigen, die in Havanna gefertigt worden waren - sind im 19. Jahrhundert in Bünde gedreht worden. Meine Urgroßeltern, Carl Friedrich Philipp V., geboren 1852 in Quernheim, und Anne Marie Luise C., geboren 1858 in Südlengern, hatten allerdings nichts mit der Zigarrenindustrie zu tun. Sie betrieben in Bünde einen Lebensmittelladen und eine Gaststätte. Dazu gab es wohl auch eine kleine Landwirtschaft, doch sehr viel kann das nicht gewesen sein. ... weiterlesen |
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Günther W. (Jg. 1929): "Bin nie unter die Räder gekommen"Als meine Familie endlich von mir erfuhr, war sie natürlich sehr erfreut. Meine Mutter und die Geschwister hatten mich schon tot geglaubt und gar nicht mehr mit mir gerechnet. Und nun hieß es mit einem Mal, ich müsse unbedingt sofort zu meiner Familie nach Wedel kommen. „Habt ihr denn zu Essen für mich, wenn ich komme? Ich kann Euch etwas schicken, ich habe hier genug“, schrieb ich ihnen zurück. Alles hier aufgeben und dort hungern, das wollte ich nicht. Hier hatte ich ja zu essen, sie dagegen hatten fast nichts, es gab ja nichts. Nur mein Bruder bekam ein bisschen Mehl, weil er in einer Mühle arbeitete. Also versorgte ich eine Zeitlang meine Familie in Wedel, indem ich ihnen Kartoffeln und Gemüse schickte. Mit der Eisenbahn ging das alles sehr gut, sie mussten die Sachen bloß dort am Bahnhof abholen. ... weiterlesen "Ich habe Ihren Text ein paar Mal gelesen, ich kann ihn fast auswendig. Aber das erste Mal, wie ich ihn gelesen habe, da liefen wieder die Tränen... ", erzählt Günther W. in unserem abschließenden Gespräch ... weiterlesen |
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Paul S. (Jg. 1907): "Briefe aus dem Osten"Osowiec, den 03.12.1942 Meine lieben Eltern. "Die Briefe meines Großvaters haben mich sehr berührt, da ich Seiten von ihm kennengelernt habe, die ich vorher gar nicht kannte", schreibt der Enkel von Paul S. in einer Mail ... weiterlesen |
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Mareile Seeber-Tegethoff (Hg.): "In der Trauer wandeln"Texte von verwaisten Eltern und anderen Trauernden Ein verstorbenes Kind, und sei es noch so klein gewesen, hinterlässt eine Lücke, die nicht
zu schließen ist. Verwaiste Eltern, die „in der Trauer wandeln“, müssen ihre eigenen
Wege finden, den Tod ihres Kindes als Teil ihres Lebens anzunehmen. Die vorliegende
Textsammlung möchte ein Wegbegleiter auf diesem schweren Gang sein. Denn oftmals
sind es gerade die Worte von ähnlich Betroffenen, die Trauernde ansprechen, ihnen
Kraft und Trost vermitteln. Die Braunschweiger Zeitung berichtet am 18.01.2014 unter der Überschrift "Eltern schreiben über ihren Verlust" ... weiterlesen |
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Heidi & Fritz W. (Jg. 1938/36): "Stürmische Zeiten"Wer auf die Flucht gehen wollte, durfte sich damals nicht einfach auf den Weg machen. Das war auch so eine Besonderheit, von der man heute gar nichts mehr weiß: Man musste so lange warten, bis der Ortsgruppenleiter die Genehmigung zur Flucht gab. Während wir also noch zu Hause saßen, sahen wir schon die Trecks aus anderen Gebieten vorbeiziehen. Wir wollten auch weg, aber wir durften nicht. Erst als der Ortsgruppenleiter sagte: "So, wir können jetzt aufbrechen!", ging es los. Dann wurde wieder ein Treck zusammengestellt. ... weiterlesen |
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Erdmute D. (Jg. 1930): "Heimat, Flucht und Neubeginn"Der Einmarsch der Engländer war irgendwann im April. Wir haben natürlich Herzklopfen gehabt, Angst. Aber passiert ist gar nichts. Die fuhren mit ihren Jeeps durch die Straßen und fertig war‘s. Mehr war da nicht. Alles ist vollkommen friedlich abgelaufen. Die Stadtverwaltung und die großen Nazis wurden kassiert, sie kamen in Internierungslager. Aber davon haben wir nichts mitbekommen. Nur unsere Unterkunft, die mussten wir räumen. Denn die Engländer brauchten ja auch Quartier! Und was machten sie? Sie suchten sich natürlich die schönsten Häuser aus. Und das waren die Neubauten in unserer Straße. Der Bürgermeister hatte anschließend die Aufgabe, uns erneut irgendwo zu verteilen. ... weiterlesen "Es ist nicht leicht, über seine Erinnerungen zu sprechen", schreibt Ermute D. in einem Brief über ihre Erfahrungen mit Worte & Leben ... weiterlesen |
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Roseléne Klockenthör & Mareile Seeber-Tegethoff:
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Günter S. (Jg. 1941): "Ich würde alles noch mal genauso machen"Meine Mutter war sehr fürsorglich. Am Wochenende wurde stets ein großer Kuchen gebacken und wenn wir sonntags morgens noch im Bett lagen, bekamen wir große Stücke Streusel- oder Zuckerkuchen und durften diese gleich dort essen. Überhaupt gab es sonntags nachmittags immer Kuchen. Ich glaube, auch werktags gab es nachmittags Kuchen. Das gehörte einfach zur Tradition, dass man Kaffee trank und dazu Kuchen aß. Meine Mutter konnte recht gut kochen und Kuchen backen, aus meiner Sicht jedenfalls. Und sie hat uns wirklich gut versorgt. ... weiterlesen |
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Albert T. (Jg. 1928): "Ich kann mir noch gut vorstellen..."Wie der Krieg anfing, das kann ich mir noch gut vorstellen. 1939 fing der an, elf Jahre war ich da. Es war im September, ich weiß es noch wie heute. Wir pflückten oben im Dorf Äpfel. Am Mühlenberg, wo die Mariengrotte ist, da stand früher alles voller Bäume, Apfelbäume. Es waren schöne junge Bäume. Jetzt stehen dort nur noch alte Bäume. Früher wurden diese Bäume im Herbst verpachtet. ... weiterlesen "Mein Vater ist inzwischen verstorben. Aber ich höre ihn sprechen, wenn ich seine Lebensgeschichte lese", schreibt der Sohn über das Buch seines Vaters ... weiterlesen |
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Ingeborg V. (Jg. 1916): "...wie man das Leben anpackt"1950 bin ich mit meiner Tochter und meiner Schwester von Aken nach Aachen gezogen. Zu der Zeit konnte man noch mit dem Interzonenpaß über die Grenze, aber unsere Sachen konnten wir nicht einfach mitnehmen. Ich habe alle meine Möbel eingelattet und sie vorher durch Speditionen von Berlin aus nach Aachen bringen lassen. Alles schwarz! Ich hatte keine Genehmigung bekommen. Also bin ich dann des Öfteren mit dem Handwagen, mit zehn Paketen beladen, eine Stunde bis zur Post gefahren. Alles geschnürt, das muss man sich mal vorstellen. Selbst Weckgläser habe ich eingepackt. "Meine Mutter ist schon einige Jahre tot. Ab und zu nehme ich ihr Buch zur Hand und blättere darin", schreibt die Tochter von Ingeborg V. ... weiterlesen "Bei meinen letzten Besuchen bei ihr habe ich dann in dem von Ihnen verfassten Buch gelesen (immer dann, wenn sie während unseres Gesprächs einschlief) und war davon sehr beeindruckt", schreibt eine Bekannte von Frau V. ... weiterlesen |